NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut

Recherchen 2018

  • 1. Projekt:
    Restitution von sechs Tonreliefs
    aus der Sammlung Felix und Marie Busch, geb. von Mendelssohn-Bartholdy

    durch die Stiftung Preußischer Kulturbesitz

Aus dem Depot der Alten Nationalgalerie wurden im Januar 2018 sechs Tonreliefs, Entwürfe zum Thema Baukunst von Johann Gottfried Schadow (1764-1850), an die Erben restitutiert.

Die Werke Schadows waren über dessen Tochter Lida, die in die weitläufige Familie eingeheirat hatte, durch Erbschaft in das Eigentum von Felix Busch (1871-1938) gelangt. Es handelte sich um zwei vollplastische Reliefs und vier Flachreliefs. Im Jahrbuch der Goethe-Gesellschaft von 1924 vermutet Adolph Doebber (1848-1925?), dass die vier Flachreliefs zunächst im Zusammenhang mit einem von Johann Wolfgang Goethe 1817 geplanten Wandfries zur Ausstattung der Jenaer Bibliothek an Goethe gesandt worden waren. Doebbers Beschreibung der vier Flachreliefs aus dem Schadow’schen Familienbesitz, die 1924 noch Felix Busch gehörten, lautet folgendermaßen:

„Von J. G. Schadow z. B. finden sich vier Relieftafeln, die nach Form, Größe und Inhalt ganz gut in jenen Fries hineingepaßt haben. […] Die Flachreliefs stellen dar: 1. den Kallimachos, wie ihm am Grabe der korinthischen Jungfrau vor dem ziegelgedeckten Korbe und dem rankenden Akanthus der Gedanke kommt, hiernach das Kapitell zu formen; 2. Eine kniende Jungfrau über aufwachsendem Gemäuer, mit dem Lot in der Hand, als symbolische Darstellung der Baukunst; 3. und 4. zwei kniende weibliche Gestalten mit Körben auf den Köpfen. Die Körbe klingen in ihrer Form, den Unterkissen und der Füllung an die Formen des römisch-korinthischen und des ionischen Kapitells an. Durch einen wunderlichen Zufall scheinen diese vier Reliefs aus Schadows Werkstatt nach Weimar gekommen zu sein (oder hatte sie damals schon Schadow selbst nach Weimar geschafft, damit sie dort Goethen für den Bibliotheksaal in Jena vorgelegt würden?) Sie haben neuerdings als Schmuck der Vorhalle eines Hauses Verwendung gefunden.

Die Motive der beiden vollplastischen Reliefs beschrieb der kommissarische Direktor der Nationalgalerie Paul Ortwin Rave (1893-1962), der für den Ankauf der sechs Objekte aus der von der Gestapo beschlagnahmten Kunstsammlung verantwortlich zeichnete, in seinem Buch „Genius der Baukunst“ 1940, indem er auf Bauzeichnungen von Karl Friedrich Schinkel rekurrierte, mit den folgenden Worten: „Und damit neben dem fast Statuarischen die liebliche Weise nicht fehle, werden auf zwei Tafeln Begebenheiten aus dem Leben des Werkenden vorgestellt: es erscheint die Frau mit den Kindern, um Speise und Trank zu bringen, und abends kommen sie abermals und nehmen dem Müden das Handwerksgerät aus der Hand.“

Die vier Flachreliefs, die letztlich keinen Eingang in den Wandfries in Jena gefunden hatten, waren offenbar zusammen mit zwei vollplastischen Reliefs von Schadow an Karl Friedrich Schinkel (1781-1841) weitergereicht worden, der diese in seine Entwürfe zur Bauakademie aufnahm, wo sie an Türlaibungen und Fensterbrüstungen Verwendung fanden. Die sechs Reliefs werden bis heute Schinkel als Inventor zugeschrieben. Schadows Entwürfe – für die Bauakademie, zu welchen u. a. auch Gustav Stier Werkzeichnungen fertigte – mussten damals jedoch im Detail geändert werden, um das Sujet des verherrlichten Genius der Baukunst, der durchgehend als Jüngling dargestellt werden sollte, zu erhalten – und nicht, wie auf einem der Reliefs von Schadow, als bärtiger Mann. Auch das Werkzeug, bei Schadow eine Flachkelle, wurde für die Bauakademie in eine Spitzkelle geändert.

Dass heute am Fassaden-Modell der in Zukunft geplanten wieder zu errichtenden Bauakademie am Schinkelplatz das Relief des Bärtigen auftaucht, ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass man von dem seit Jahren im Depot der Alten Nationalgalerie lagernden Relief aus dem Besitz von Felix Busch Abdrücke anfertigte, ohne die Werkzeichnungen Schinkels zu beachten, denn sowohl Schinkels Entwürfe als auch Raves Buch beziehen sich ausschließlich auf einen als Genius verherrlichten Jüngling.

 

 

Um 1940 beim Finanzamt Moabit-West, das für die „Verwertung jüdischen Eigentums“ verantwortlich zeichnete, für die Nationalgalerie einen günstigen Preis auszuhandeln, hatte Rave die Reliefs als durch weiße Farbe entstellte „Repliken nach Schinkel“ erklärt. Derartige Abwertung war eine häufig praktizierte Methode, wenn es darum ging, von den NS-Behörden den von Juden beschlagnahmten Kunstbesitz für die staatlichen Sammlungen zu sichern. – Vgl. Strelow, Irena: System und Methode, NS-Raubkunst in deutschen Museen, Berlin 2018.

heutiger Standort: Sitz des Vorstandes der Moses Mendelssohn Stiftung, Fasanenstr.3, 10623 Berlin

Die Objekte sind nach Aushändigung durch die Stiftung Preußischer Kulturbesitz im Januar in der Moses Mendelssohn Stiftung, Fasanenstraße 3 in Berlin installiert worden. Verdeckte farblose Acrylglas-Rahmen dienen zur Aufhängung der vier Flachreliefs, Acrylglas-Kästen der gleichen Bauart zur Aufhängung der zwei vollplastischen Reliefs. Es wurde eine Anbringung mit Schattenfuge vorgenommen. Für die Ausführung war die Fa. Gebauer Steinmetzarbeiten GmbH in Zusammenarbeit mit der Kunsthandlung Reinhard Wolff Berlin zuständig.

  • 2. Projekt:
    Vertretung der Restitutionsansprüche zum Verbleib der an die Dresdner Bank verpfändeten Kunstobjekte

    aus dem Eigentum von Heinrich Ueberall – heute im Besitz der Staatlichen Museen zu Berlin
    im Auftrag eines Holocaust-Überlebendem und weiterer Erben gegenüber der Stiftung Preußischer Kulturbesitz
  • 3. Projekt:
    Entwurf und Vorbereitung eines Forschungsprojektes im Zusammenhang mit Recherchen in den Akten des Oberfinanzpräsidenten Berlin-Brandenburg:
    Elektronische Auswertung der personenbezogenen Akten der Vermögensverwertungsstelle des Oberfinanzpräsidenten Berlin-Brandenburg (1933 bis 1945) zur Ermittlung von Kunstbesitz und zur Lokalisierung von NS-Raubkunst – Wissenschaftliche Erschließung einer zu digitalisierenden Massenquelle im Brandenburgischen Landeshauptarchiv Potsdam – Pilotprojekt

    Erstmalige elektronische Untersuchung einer Massenquelle von 41.631 Täterakten
    Gewinnung eines Projekt-Trägers: Moses Mendelssohn Stiftung
    Entwurf des Projektes, Konzeptentwicklung, Projektablauf-Planung,
    Einwerbung von Fördermitteln in Höhe von ca. 3,4 Mio. Euro
  • Vorträge zum Forschungsprojekt:
  1. Moses Mendelssohn Akademie Halberstadt: „Die systematische „Verwertung“ von Kunst- und Kulturgut aus jüdischem Besitz durch öffentliche Einrichtungen. Die Dokumentation des Raubes in den Akten der Finanzbehörden“ – öffentlicher Vortrag
    Montag, 06. August 2018, 19.30 Uhr, Klaus-Synagoge Halberstadt
  2. Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur: Die elektronische themenorientierte Auswertung der 41.631 Akten der Vermögensverwertungsstelle des Oberfinanzpräsidenten Berlin-Brandenburg im Brandenburgischen Landeshauptarchiv durch die Moses Mendelssohn Stiftung – Vorstellung des Pilotprojektes
    Montag, 08. Oktober 2018, 14.30 Uhr, Ministerium WFuK, Potsdam, Dortustraße 36
  3. Volkshochschule Osnabrück/Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit: „NS Raubkunst in den Akten des Oberfinanzpräsidenten Berlin-Brandenburg“
    – öffentlicher Vortrag
    Dienstag, 23. Oktober 2018, 19.30 Uhr, Haus der Volkshochschule, Bergstraße 8, Osnabrück
  4. Staatliche Museen zu Berlin – Museum für Ostasiatische Kunst/Technische Universität Berlin: „Provenienzforschung im Auftrag der Moses Mendelssohn Stiftung: Die
    Dokumentation der systematischen Verwertung „jüdischen“ Eigentums in den Akten der Finanzbehörden. Die Abwicklung des Ostasiatika-Bestandes von Edgar Worch von
    1934 bis 1941 – ein Fallbeispiel“ – Vortrag innerhalb des Workshops „Provenienzforschung zu ostasiatischen Objekten #2“ – nicht öffentlich
    Samstag, 24. November 2018, 16 Uhr, Ostasiatische Sammlungen, Takkustraße 4